Die „Oder“ – ein Fluss, der als Grenzfluss trennte, aber auch Städte mittlerweile verbindet. „Ein Fluss ist ein Band – man muss es nur aufnehmen“, so der Buchautor. Frei fließend mit wunderbaren Auen schlängelt sich die Oder durch ihr Flussbett. Dies und vieles mehr über den großen Strom erfuhren die Gäste am Donnerstagabend im Burghaus Bielstein von Journalist und Autor Uwe Rada. Der Kulturkreis und die Stadt Wiehl hatten in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Polnischen Gesellschaft zu dieser Lesung eingeladen.
Foto: Vera Marzinski
Roswitha Köhlert, Vorsitzende der Deutsch-polnischen Gesellschaft in Köln-Bonn – waschechte Wiehlerin seit 17 Jahren – stellte zudem noch weitere Fragen zum Fluss, zum Buch und zum Autor. Nach der „Memel“ ist dies das zweite Buch, in dem sich Uwe Rada mit dem Lebenslauf eines Stromes befasst. Er nimmt in seiner Publikation den Zuhörer und Leser mit hinein in die Kulturlandschaft und berichtet über Menschen, die in bestimmten Zeitabschnitten dort gelebt haben. Eine wechselvolle, historische Geschichte hat dieser Fluss. Das Buch verleitet zum Reisen an die Oder und zu den Spuren, die er hinterlassen hat. Dieser Strom konnte zu einer verbindenden Lebensader in Mitteleuropa werden, an seinen Ufern leben Städte wie Breslau, Frankfurt oder Slubice auf, die sich mittlerweile auf ihr multikulturelles Erbe besinnen.
Uwe Radas Buch und auch die Lesung beginnen mit einem Diskurs zu Rhein, Donau, Weichsel, Moldau. Die Oder verbindet nichts mit einem Mythos wie die Lorelei mit dem Rhein. Wenige Dichter widmeten der Oder einige Zeilen. Theodor Fontane bereist das Oderland lediglich von Frankfurt bis Schwedt. Aus dem Kulturstrom – der eigentlich mal begradigt werden sollte – wurde ein vergessener Strom und schließlich ein Naturstrom. Die Oder, die in Tschechien entspringt und durch das Stettiner Haff in die Ostsee mündet, hat für uns Deutsche eine ganz besondere historische Bedeutung. Bereits vor tausend Jahren trennte der Fluss Deutschland und Polen, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 wurde die Oder sogar zum Symbol einer Grenze schlechthin.
März 1730 und Friedrich der Große – eins der Kapitel im Oder-Buch von Uwe Rada spielt in dieser Zeit. Auf viel Geschichtliches und auch Naturgegebenheiten, wie ein hohes Fischaufkommen, sowie Friedrichs Modernisierungsvorhaben geht Rada hier ein. Auch das Friedrich-Standbild das lange Jahre in einem Ort im Oderbruch hinter Gurkenfässern verborgen wurde erwähnt er. In einem anderen Kapitel geht es um Begegnungen, um eine versenkte Glocke, um Nachbarn und Fremde. Und auch um die Wandzeitungen in Aurith und Urad um 2004, die die Einwohner verbinden sollten. Ein kleines Projekt der deutsch-polnischen Völkerverständigung. Denn Aurith und Urad sind eigentlich zwei Hälften eines Dorfes, die mit einer Fährverbindung verbunden waren. 1945 wurde der Fluss Staatsgrenze. Um am gegenüberliegenden Ufer zu stehen, muss man 42 Kilometer fahren.
Viele Fakten hat Uwe Rada zusammengebracht. Dabei ist er nicht in Archiven gewesen sondern hat versucht alles zu lesen, was es über die Oder an Veröffentlichungen gibt, sowohl polnisch als deutsch. Zudem ist er oft mit dem Fahrrad an der Oder entlanggefahren und hat Geschichten gesammelt. In insgesamt drei Jahren kam der Stoff für das Buch zusammen. Sein eigenes Interesse liegt nicht in familiären Wurzeln. Er lebt in Berlin und durch den Mauerfall erlebte er, wie Menschen sich mit der Grenze beschäftigen. Da ist Polen naheliegend und insbesondere auch so eine naturgegeben Grenze, wie die Oder.
Uwe Rada, geboren 1963, ist Redakteur der „taz“ und Buchautor. Er lebt in Berlin. Für seine publizistische Arbeit hat er verschiedene Stipendien und Preise erhalten, unter anderem von der Robert-Bosch-Stiftung und dem Goethe-Institut. Er hat mehrere Bücher zur Geschichte Osteuropas veröffentlicht, zuletzt „Die Oder. Lebenslauf eines Flusses“. Zurzeit ist ein Buch zur Elbe in Arbeit.
Vera Marzinski
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